Meine MS und ich: 2003-2009

März 2003:
Von oberhalb meines Bauches weg bis hinunter zu den Fussballen ergreift mich ein „taubes Gefühl“. Die Untersuchung im AKH-Linz lässt zuerst den Verdacht auf Querschnittlähmung aufkommen. Weitere Diagnosen lauten eher auf ADEM, eine einmalig auftretende Erkrankung, ähnlich der Multiplen Sklerose. Stationär aufgenommen werde ich mit Cortison behandelt, weiter untersucht mittels Magnetresonanz und Lumbalpunktion wird der Verdacht auf Multiple Sklerose laut.
14 Tage später geh ich wieder heim. 2 Monate Krankenstand und es geht mir wieder besser, bis auf das taube Gefühl in den Fußsohlen, dass ich nicht loswerde.

April 2004 – Ein Jahr später:
Auf dem rechten Auge völlig erblindet erhalte ich wieder eine fünfteilige Stoßtherapie mittels Cortison-Infusionen. Augenlicht wieder hergestellt – eindeutig bestätigte Diagnose: Multiple Sklerose

Ich beginne die Behandlung mit wöchentlichen Injektionen von AVONEX, die weitere Schübe verzögern oder gar verhindern soll. Diese Injektion erfolgt nicht subkutan – „nur unter die Haut“ (wie z. B. bei Diabetes), sondern intramuskulär – also tief in den Muskel hinein.Ich wähle diese Form bewusst und besonders deswegen, weil ich vorhabe das Ganze Freitag abends zu machen, damit die Nebenwirkungen wie Kopfschmerz, Steifheit der Glieder und in extremen Fällen Fieberschübe am Wochenende auskurieren kann. Mein Berufsleben bleibt dadurch nahezu unberührt. Der positive Erfolg zeigt sich durchaus: Seitdem zeigt sich kein massiver Schub mehr!
Dennoch ist eine deutliche Gehschwäche geblieben und die Erkenntnis, dass das rechte Auge dann doch nur noch bis zu geschätzten 95%ig wieder hergestellt werden konnte, lässt mich vorsichtig und aufmerksam bleiben.Es ist aber nicht weiter hinderlich, andere sehen deutlich schlechter.

Das Jahr 2005
verläuft ohne grössere Probleme, allergings macht sich die Schwäche in den Knien bei längerer Belastung oder dem Versuch länger auf den Beinen zu bleiben, bemerkbar. Auch die Langzeitbelastungen lassen einen zeitweiligen Einbruch er Konzentration und Leistungsfähigkeit erkennen, was sich in einem erhöhten Ruhebedürnis nach getaner Arbeit zeigt. Mit etwas Ruhe und bei sichtlicher Erschöpfung auch etwas Schlaf, lässt sich dieses Defizit durchaus beheben.

Jänner 2006: 
Ich wache eines morgens auf und sehe sehr schlecht, alles verschleiert. Da ich vor Jahren schon einmal so ein Phänomen bei mir durch ein geschwollenes und entzündetes Auge hatte, mache ich mir keine größeren Gedanken und geh zum Augenarzt. Erst als er mir dort sagte, ich solle mir mal das linke Auge zuhalten, komme ich drauf, daß ich rechts nichts mehr sehe. Sehkraft Null! Seine Frage ob ich vielleicht irgendeine Krankheit habe, beantworte ich wahrheitsgemäß mit: „JA, MS!“ Seine Antwort darauf: „Sofort ins Ktankenhaus mit ihnen!“
Bei der Magnetresonanz zeigen sich neue Läsionen im Kopfbereich, wobei andere wieder verschwunden sind. Erneut erhalte ich eine Behandlung mit fünf Mal 1000 ml Cortison. Ich fahre mit Ende März 2006 vier Wochen auf Rehabilitation in die Klinik Wilhering, nahe bei Linz. Die dortige Erholung, Betreuung und das Training zur Stabilisierung meiner Gehsicherheit macht sich bezahlt. Regelmässiger Schlaf, frische Luft und ein angenehmes, erholsames Umfeld lässt mich neue Kräfte sammeln und die psychologische Betreuung stärkt meine Einstellung: „Ich lebe MIT MS!“

September 2007:
Meine zweite Reha steht an. Ich lege diesmal besonders Wert auf meine psychische Komponente.Ausser, dass sich meine Beobachtung bestätigt, bei länger anhaltender Konzentration eine kurzfristige Schwäche im letzten Drittel zu zeigen, was laut meiner Ärztin andere „Gesunde“ stärker aufweisen, schließe ich meine Tests – wie auch letztes Jahr – im Bereich sehr gut bis überragend ab. Was ich aber dennoch ab und zu feststelle ist verstärkter Schwindel wenn ich mit dem Aufzug fahren muss oder mit dem Rücken zur Fahrtrichtung im Bus fahre. Leichte Angstzustände in kleineren Räumen mit vielen Leuten runden meine Erfahrungen in diesem Jahr ab.
Im April wechsle ich meine Bereich in der Firma und beginne als Produkt-Redakteur im Bereich e-Commerce. Die Tätigkeit ähnelt, dem was ich bisher macht nur sehr gering, das stört mich aber nicht. Die Arbeit als solches wäre ja OK, wenn nicht dieser extreme Streß-Level anfallen würde.
Folge: Ich falle im Dezember in ein leichtes BurnOut und erhole mich erst langsam, im Laufe der nachfolgenden Monaten, etwas davon.

August/September 2008:
Mein Versuch schnellstmöglich in die Reha zu flüchten mißlingt trotz aller Bemühungen meiner ÄrtztInnen. Erster Termin für ein Einzelzimmer: August.

Ich muss mich also durchkämpfen und mit viel Disziplin versuchen, mich selbst aus dem Sumpf zu ziehen, bzw. zur Ruhe zu kommen. Ich fange an zu grübeln, was für mich die beste Entscheidung wäre. Überlegungen wie die Berufsunfähigkeits-Pension, nochmaliger Arbeitswechsel und Teilzeitarbeit gehen mir durch den Kopf.

Ich deponiere in der Firma meinen Wunsch, auf 30 Stunden zurück zu gehen, bzw. den Bereich zu wechseln.

Aber jetzt gehts erst Mal auf Reha – wieder in Wilhering, wo ich mich schon immer  sehr wohl und geborgen fühle. Nach zwei Wochen Reha ist mein Kopf aber noch immer mit Sorgen gefüllt, es gelingt mir einfach nicht abzuschalten, so wie in den Jahren zuvor. Ich mache mir nach wie vor Gedanken über mich und die Arbeit.
Auf Anraten meiner Psychologin dort und gemeinsamer Überlegungen und Entscheidungen mit meiner treu zu mir haltenden Frau Elisabeth und meinem Chef, der auch sehr zu mir hält, wird um weitere zwei Wochen Verlängerung angesucht, die auch genehmigt werden. Schlagartig fällt eine große Last von mir. Ich erhole mich im Kreis lieber Freunde und KollegInnen in Wilhering sehr gut und kann endlich loslassen.

Bei meiner Rückkehr in die Firma zeigt sich, dass es nicht so einfach ist auch in einer großen Firma eine passende Tätigkeit zu finden, die mich nicht überansprucht und der ich mit Gutem Gewissen zusagen kann. Mein Chef und Freund, ermöglicht mir letztlich doch bleiben zu können. Meine Verantwortlichkeiten werden erleichtert, Aufgagen neu und Terminarbeiten anders aufgeteilt, aus Projektarbeiten werde ich künftig herausgehalten. Das alles hat mir dann doch sehr geholfen. Ich sehe, darin eine gute Möglichkeit ohne große Probleme weiterhin im Arbeitsleben stehen zu können.

2009:
Anfang des Jahres mache ich einiges an Untersuchungen im AKH Linz, unter anderem auch wieder eine MR. In diesem Jahr habe ich vor mir einen großen Wunsch erfüllt: Zwei Wochen Schweiz-Urlaub! Meine Frau und ich genießen die Zeit und die herrliche Gegend dort sehr! Ich komme sehr erholt und mit herrlichen Eindrücken erfüllt nach Hause zurück. An dieser Stelle ein HERZliches Danke an meine Freund_innen aus der Schweiz, die uns dort begegneten und uns begleiteten.

Dennoch spüre ich, trotz meiner positiven Erlebnisse deutlich, daß meine Gehfähigkeit weiter abnimmt und ich gut mit meinen Kräften haushalten muss. Ich werde also weiter aufmerksam in mich hineinhören, um Probleme rechtzeitig erkennen und vermeiden zu können. Das Thema Arbeit ist noch nicht ganz gegessen, fürchte ich…

In diesem Jahr muss ich nach zwei Wochen den Reha-Aufenthalt abbrechen! Nachdem meine grünbraunen Augen sehr deutlich ins tiefgrüne abweichen, wird mir die Galle entfernt. Das Ding spinnt und will nicht mehr mit mir zusammen arbeiten. 6 Wochen Aufenthalt und anschließend schonen.

Und so kommt es schließlich Ende des Jahres zu Meldungen die alle meine KollegInnen verunsichern und verängstigen:QUELLE-Deutschland ist in Konkurs!

Da die österreichische Tochter besonders im Textilbereich und im Bereich der technischen „weißen Ware“ (Haushaltstechnik) gemeinsam mit Deutschland einkaufte war QUELLE-Österreich leider in diesem Bereich sehr abhängig. Ansonsten stand die österreichische QUELLE hervorragend da, was ja letztendlich auch durch die hohen Quoten (ca 80%) an die Firmen die Aussenstände geltend machten, zeigte. Auch wurden alle Gehälter und Abfindungen ohne Probleme an alle ehemaligen QUELLE-Mitarbeiter ausbezahlt.

Lange Rede kurzer Sinn: Es geht zu Ende mit „meiner Quelle“.

HIER GEHTS WEITER: Meine MS und ich – ab 2014

Meine Erfahrung

mit dieser – für mich – eher lästigen als schmerzhaften Erkrankung ist eigentlich die, dass sie sich wirklich mit Fug und Recht die „Krankheit mit den tausend Gesichtern“ nennen darf, denn so viele Menschen ich mittlerweile kennen lernen durfte, so verschieden sind auch die Auswirkungen. Natürlich finden sich beinahe bei allen, diese typischen Symptome wie Taubheit in Armen und Beinen, lästiges Kribbeln in Füssen und Händen wie Fingern. Verschlechterung der Sehleistung, plötzliche Ermüdungserscheinungen wie auch Schwindeln in vielerlei Form.

Selbsthilfegruppen

„können“ eine gute Informationsquelle und ja sogar Motivation sein richtig mit allen Einschränkungen umgehen zu lernen, aber wie gesagt; sie „können“ es sein, sind es aber auch oft nicht.
Man muss sich positiv denkende MS-KollegInnen suchen, denn Erfahrungen macht jeder eigene, sind nicht immer vergleichbar und dann ja auch selten hilfreich. Diejenigen, die mich von Anfang an „volljammerten“ und meinten, sie seien die Einzigen denen es ja sooo schlecht ginge etc. bla blabla… Die habe ich schnellstens „ad acta“ gelegt, da sie sich eigentlich nicht als besonders hilfreich, sondern eher als ziemlich belastend erwiesen!

Heute kenne ich eine sehr positive reale und eine ebensolche virtuelle Gruppe. Beide sind informativ und hilfreich in mehreren Bereichen. Die Gemeinschaft ist sowohl real als auch per Internet eine erbauliche und dazu tu ich auch gern das meine.

Ich habe diese Infos deswegen relativ kurz und knapp gefasst, weil es nur einen Bruchteil dessen wieder geben kann, was MS-Patienten wiederfährt und es ja auch bei wirklich jedem unterschiedlich verläuft. Zur Krankheit selbst aber noch einen aufschlussreichen Link zum Netdoctor!

Aber lieber Besucher, der du diese Zeilen interessiert liest, lass dir sagen:

Multiple Sklerose bedeutet NICHT zwangsweise „Rollstuhl“!

Ich kenne inzwischen sehr viele, ja eigentlich ist es die absolute Mehrheit meiner MS-Bekannten, denen man überhaupt nicht anmerkt, dass sie an MS erkrankt sind.Auch bei mir ist es nicht unbedingt sofort ersichtlich. Und selbst wenn es einmal in den „Rolli“ gehen sollte, heisst es nicht, dass es für immer ist. Der Fall einer Bekannten in meiner Stadt hat mir das deutlich bewiesen! Sie hat seit gut dreissig Jahren MS, war Spitzensportlerin und die Ärzte gaben ihr nur mehr ein paar Monate, dass war aber nun schon vor über zwanzig Jahren! Sie hat auch schon eine längere „Rollstuhl-Phase“ hinter sich, aber als ich sie letztens sah, ging sie ohne Stock oder Krücken und lachte mich fröhlich an.

Wie auch immer; bei jeder Krankheit die chronisch das Leben beeinträchtigt und bei der man weiss, dass es derzeit noch keine Heilung gibt, muss man sein Leben irgendwie danach ausrichten. Es ist also auch eine psychische Belastung die der/diejenige zu bewältigen hat. Und diese Belastung dehnt sich unweigerlich auf das Umfeld aus, wie z. B. auch den Partner. Und eine schöne Erfahrung ist es zu sehen, dass es doch mehr intakte Ehen und Partnerschaften gibt, als man vielleicht befürchtet!

Und Freunde, die sich wirklich als solche erweisen, sind diejenigen die gerade jetzt zu dir stehen, Interesse zeigen, offen mit dir reden und die etwas ganz besonderes machen, was man wahrscheinlich nicht für möglich hält, würde man es nicht selbst erleben: SIE ändern IHR Leben FÜR DICH! Und dies ist eine ganz besondere Erfahrung für mich!

Meine persönliche Einstellung ist: ICH LEBE MIT MS!
Sie gehört zu mir wie meine Arme und Beine und auch wenn sie mir das Leben erschwert, sie macht es mir nicht gänzlich unmöglich.

Vielleicht kann man dadurch sogar bewusster leben? JA!

Und wenn man sich selbst und besonders auch die eigene MS aufmerksam kennen lernt: JA! UNBEDINGT!

Euer WOLFgang;-)