Archiv des Autors: Wolf

B-Zellen aus dem Darm bekämpfen Entzündungen bei MS

Die Darmflora ist bei Menschen mit Multipler Sklerose verändert. Zum Beispiel wandern IgA-produzierende B-Zellen über das Blut ins Gehirn und Rückenmark, um dort bei Entzündungen zu helfen, wie Forscher nun herausgefunden haben.

Fast schon könnte man meinen, der Darm in der Wissenschaft sei eine Modeerscheinung:  Er taucht in den letzten Jahren regelmäßig auf, besonders, wenn es um das Immunsystem geht. Und natürlich im Zusammenhang mit Multipler Sklerose.

Nachdem die Menschheit ihr Verdauungsorgan über Jahrhunderte hinweg tabuisiert hat, machen Science-Slam-Aktionen wie „Darm mit Charme“ das vielleicht lauteste unserer Eingeweide salonfähig. Und es mehren sich Studienergebnisse, die belegen, dass der Darm weit mehr ist als ein menschlicher Entsorgungsschlauch, dass er weit mehr kann als nur Nahrungsbrei zerkleinern und transportieren. Vom „Darmhirn“ ist gar manchmal die Rede, weil über die Unzahl an Bakterien, die unser Gedärm bevölkern (und bevölkern müssen, sonst könnten wir nicht verdauen) scheinbar unser Immunsystem (mit-) gesteuert wird.

Darm (flora), Immunsystem und Multiple Sklerose

Hier nur eine kleine Auswahl der Nachrichten zum Thema aus den vergangenen 2 Jahren:

Darm und Immunsystem: Ansatz bei Multipler Sklerose

Ein Immunsystem, das bei Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose übers Ziel hinausschießt, eigene Zellen angreift anstatt fremde. Was einen auf die Idee bringt, einen Zusammenhang zwischen Ernährung und Krankheiten wie MS zu sehen. Vorausgesetzt, der Mechanismus geht vom Darm zum Immunsystem. Denkbar wäre ja auch die umgekehrte Reihenfolge: Dass ein schadhaftes Immunsystem den Darm beeinflusst.

Um rein theoretische Hypothesen zu beweisen, braucht es objektive Nachweise und einen solchen Nachweis hat nun ein internationales Forschungsteam erbracht: Die Wissenschaftler um PD Dr. Anne-Katrin Pröbstel konnten gleich zweilerlei zeigen:

  1. dass bestimmte B-Zellen, nämlich die Immunglobulin A produzierenden B-Zellen, die sich im Darm gegen MS-typische Bakterien richten, bei Patienten mit Multipler Sklerose besonders oft im Darm vorkommen, verglichen mit Gesunden, und,
  2. dass diese IgA-B-Zellen bei Patienten mit Multipler Sklerose aus dem Darm Richtung Gehrin wandern und zwar vermehrt im Falle einer akuten MS-Entzündung. Die Forscher sprechen von einer Darm-Hirn-Achse oder auch Darm-Hirn-Brücke.

B-Zelle ist nicht gleich B-Zelle

Zwar gibt es B-Zell-depletierende Medikamente gegen MS, jedoch reduzieren die zugelassenen Wirkstoffe nur bestimmte B-Zellen. Entfernt man die B-Zellen zu großzügig, so zeigte sich in früheren Forschungen, kann sich die MS sogar verschlimmern.

Die aktuellen Funde zeigen, dass bestimmte B-Zellen wie die IgA-produzierenden B-Zellen gebraucht werden im Kampf gegen Multiple Sklerose. Offen ist allerdings, welcher Mechanismus sie aktiviert. Das wird weiter erforscht und könnte einen Ansatz liefern, um die helfenden IgA-B-Zellen gezielt zu aktivieren und so entzündliche Phasen der Multiplen Sklerose einzudämmen.

Quellen: Science Immunology, 20.11.2020 ; Pressemitteilung der Universität Basel, 20.11.2020.

Redaktion: AMSEL e.V., 30.11.2020

Remyelinisieren mit Einfach-Zucker?

Ein internationales Forscherteam hat entdeckt, dass N-Acetylglucosamin bei Mäusen Myelin repariert. Der Zucker ist in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten, die bei Gelenkbeschwerden helfen sollen.

N-Acetylglucosamin ist ein Einfachzucker, der in Muttermilch vorkommt und für Nahrungsergänzungsmittel hauptsächlich aus Krebstierschalen gewonnen wird. Einem deutsch-amerikanischen Forschungsteam zufolge könnte N-Acetylglucosamin bei Menschen mit Multipler Sklerose die Remyelinisierung fördern. Das Myelin ist sozusagen die Achillesferse bei Multipler Sklerose: Ist diese Schicht um die Nerven beschädigt, kommt es zu Symptomen und Behinderungen.

Ein Zucker, der die Nerven schützen könnte

Die Betonung liegt noch auf dem Wort „könnte“, denn bisher zeigte sich die Myelin reparierende Wirkung des Zuckers nur bei Mäusen. Dafür gaben die Forscher stillenden Mäusemüttern den Einfachzucker und beobachteten ihre Kinder. Dabei zeigte sich, dass N-Acetylglucosamin die Myelin-Stammzellen stimulierte und sowohl die primäre Myelinisierung als auch die Reparatur von Myelin förderte.

Weitere Studien sind nötig und auch bereits angelegt, um die Wirkung am Menschen zu beurteilen. Allerdings weisen reduzierte N-Acetylglucosamin-Werte bei Schäden an der weißen Substanz von Patienten mit Multipler Sklerose darauf hin, dass es auch beim Menschen einen Zusammenhang zwischen dem Einfachzucker und Multipler Sklerose gibt.

Nicht auf eigene Faust einnehmen

Zwar ist N-Acetylglucosamin bereits als Nahrungsergänzungsmittel frei erhältlich, von einer Einnahme auf eigene Faust ist jedoch abzuraten. Zum einen ist eine eventuelle Wirkung auf den MS-Verlauf noch lange nicht erwiesen, zum anderen sind spezielle Gruppen durch die Einnahme von N-Acetylglucosamin gefährdet. Darunter fallen zum Beispiel Menschen mit Herzproblemen, besonders bei der Einnahme von Blutverdünnern, ebenso wie Diabetiker, Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche. Im Zweifel sollten MS-Patienten ihren Arzt vor der Einnahme konsultieren, auch wenn es sich bei N-Acetylglucosamin um ein freiverkäufliches Nahrungsergänzungsmittel handelt.

Die Entdeckung des Einflusses von N-Acetylglucosamin auf die Myelinisierung könnte auch erklären, warum nicht gestillte Kinder zum Teil kognitive Nachteile gegenüber gestillten Kindern haben: Muttermilchersatz enthält kein N-Acetylglucosamin.

Quellen: Verwendung von Glucosamin und dessen Verbindungen in Nahrungsergänzungsmitteln (Pdf), Stellungnahme des BfR (Bundesinstitut für Risikofroschung), 15.06.2007; Journal of Biological Chemistry, 25.09.2020; Pressemitteilung des MDC (Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft), 14.10.2020.

Redaktion: AMSEL e.V., 27.11.2020

Rote-Hand-Brief zu Fingolimod

Einzelfälle mit akutem Leberversagen bei Fingolimod-Patienten sind der Grund für den Hersteller, die Empfehlungen für die Überwachung der Leberfunktionen zu verschärfen.

Dass sich die Leberwerte nach der Einnahme von Fingolimod (Gilenya) verschlechtern können und deshalb beobachtet werden müssen, ist längst bekannt. Einzelfälle von schweren Leberschädigungen, welche Transplantationen nötig machten, überzeugten den Hersteller Novartis, die Empfehlungen für die Leberwerte unter Fingolimod bzw. für einen evtl. Behandlungsabbruch noch zu verschärfen. Diese Änderungen gab der Hersteller in einem Rote-Hand-Brief heraus.

So lauten die Empfehlungen zur Risikominimierung von arzneimittelinduzierten Leberschädigungen unter Fingolimod nun:

regelmäßige Leberfunktionstests inkl. Serumbilirubinvor Therapiestart und in den Monaten 1, 3, 6, 9 und 12,  danach regelmäßig bis zwei Monate nach Therapie-Ende
ohne klinische Symptome häufigere Tests inkl. Serumbilirubin und alkalischer Phosphatase bei> 3- bis < 5-fache der Obergrenze des Normalwertes ohne Anstieg des Serumbilirubin
ohne klinische Symptome Behandlung unterbrechen bei> 5 fache Obergrenze des Normalwertes
ohne klinische Symptome Behandlung unterbrechen bei> 3 fache Obergrenze des Normalwertes plus Anstieg des Serumbilirubins
Behandlung unter Nutzen-Risiko-Abwägung wieder aufnehmen beinormalisierten Leberwerten
mit klinischen Symptomen Behandlung absetzen wenndirekte Überprüfung der Leberenzyme und des Bilirubins eine relevante Leberschädigung bestätigt

Novartis berichtet, dass im Rahmen der klinischen Entwicklung 8% der erwachsenen Patienten unter Therapie mit Fingolimod 0.5 mg einen Anstieg der ALT (Alanin-Aminotransferase) auf das 3-Fache der Obergrenze des Normalwerts (ULN) und mehr verzeichneten. Mehr als das 5-Fache der ULN kam nur bei 1,8 % der Fingolimod-Patienten vor.

Kurz vor dem Rote-Hand-Brief zu Fingolimod war ein Rote-Hand-Brief zu Dimethylfumarat verschickt worden. Hier hatte sich in Einzelfällen gezeigt, dass eine PML auch unter leicht erniedrigten Lymphozytenwerten auftreten kann, wobei die PML unter Dimethylfumarat (Tecfidera) sehr selten vorkommt (11 Fälle bisher bei ca. 500.000 Patienten), verglichen etwa mit Natalizumab (Tysabri). amsel.de hatte berichtet.

Quellen: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (Pdf), 10.11.2020; Pressemitteilung von Novartis, 10.11.2020.

Redaktion: AMSEL e.V., 25.11.2020

Rote-Hand-Brief zu Dimethylfumarat

Der Hersteller Biogen gibt bekannt, dass sein Multiple-Sklerose-Medikament Tecfidera auch mit leicht verringerten Lymphozytenwerten eine PML auslösen kann. Verglichen mit Tysabri ist diese Nebenwirkung bei Tecfidera jedoch sehr selten.

Bisher gab es unter Tecfidera bei knapp einer halben Million behandelten Patienten nur 11 bestätigte Fälle von progressiver multifokaler Leukenzephalopathie, kurz: PML. Zwar ist das PML-Risiko bisherigen Daten zufolge unter Tecfidera deutlich kleiner als etwa unter Tysabri. PML ist jedoch eine unter Umständen tödliche Erkrankung. Daher ist es wichtig zu wissen für MS-Patienten, die Dimethylfumarate einnehmen, dass eine PML nicht nur bei mäßig bis stark verringerter Lymphozytenzahl auftreten kann (man spricht von einer Lymphopenie), sondern auch bereits bei leicht verringerter Zahl (Lymphozytenwert ≥0,8 x 109/l und unter dem unteren Normwert).

PML nicht nur bei stark verringerten Lymphozyten

Bei 3 der 11 bekannten PML-Fälle unter Dimethylfumarat (als „Tecfidera“ gegen MS im Handel) war die Lymphopenie nur leicht. Der Hersteller Biogen hat daher einen Rote-Hand-Brief mit entsprechenden Aktualisierungen herausgegeben. Er empfiehlt:

  • vor einer Therapie mögliche Ursachen abzuklären, sollte die Lymphozytenzahl des MS-Patienten unterhalb der Norm liegen,
  • während der Therapie mit Tecfidera bei schwerer Lymphopenie (Lymphozytenwerte < 0,5 x 109/l) über mehr als 6 Monate, das Medikament abzusetzen,
  • Tecfidera dauerhaft abzusetzen, sollte eine PML auftreten.

Während der Therapie sollten Patienten außerdem ihre Partner oder Betreuungspersonen über Tecfidera und mögliche Symptome einer PML informieren, weil Symptome einer PML vom Umfeld eher wahrgenommen werden können als vom Patienten selbst.

Zu den möglichen Symptomen einer PML gehören eine gestörte Motorik, kognitive Störungen sowie Verhaltensveränderungen. Teilweise ähneln die Symptome denen einer MS, was die Diagnose erschwert.

Quelle: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft(Pdf), 09.11.2020; Pressemitteilung von Biogen, 09.11.2020.

Redaktion: AMSEL e.V., 10.11.2020

Alternative zu Kortison gesucht

Wissenschaftler der Technischen Universität München sind einen kleinen aber vielleicht entscheidenden Schritt weiter auf dem Weg, den klassischen Entzündungshemmer abzulösen.

Cortison findet sehr viel Anwendung, ob als freiverkäufliche Salbe oder Spray, als Tablette oder Infusion. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts ist es kaum wegzudenken aus der Medizin. Und das, obwohl vor allem bei längerem Gebrauch durchaus auch bleibende Nebenwirkungen auftreten können.

Cortison ist sehr potent bei Entzündungen…

Ein Grund für die große Beliebtheit von Cortison trotz seiner möglichen Nebenwirkungen (zum Beispiel höherer Blutdruck oder Osteoporose): Es gibt bis heute schlicht und ergreifend keine ähnlich potente Alternative. Und Cortison erfüllt eine sehr wichtige Funktion, denn es ist in der Lage, sowohl lokal wie im ganzen Körper Entzündungen zu unterdrücken, indem es das überschießende oder fehlgeleitet reagierende Immunsystem bremst. Daher kommt es bei so unterschiedlichen Krankheitsbildern zum Einsatz wie:

  • Multiple Sklerose
  • Morbus Crohn
  • Nasennebenhöhlenentzündungen
  • bestimmte Rheumaformen
  • Schuppenflechte und andere Hauterkrankungen
  • Asthma
  • Allergien

Selbst gegen Covid-19 wird Cortison teilweise eingesetzt. Ein weiterer „Nebenwirkungshaken“ von Cortison ist seine Widersprüchlichkeit: Einerseits hilft es, Entzündungen im Rahmen eines Infektes zum Beispiel zu unterdrücken. Andererseits kann zumindest eine dauerhafte Anwendung von Cortison die Infektanfälligkeit erhöhen.

…wären da nicht die Nebenwirkungen bei dauerhafter Anwendung.

Dosis und Dauer bestimmen bei Cortison wie bei den vielen anderen Anwendungen die Höhe und den Schweregrad der möglichen Nebenwirkungen. Wer wegen einer Nasennebenhöhlenentzündung für eine kurze Zeit ein (niedrig dosiertes) Cortison-Spray lokal anwendet, muss sich kaum sorgen. Anders ist das bei chronischen Erkrankungen, die eine Dauertherapie oder auch immer wiederkehrende wochenlange Therapien mit Cortison erfordern.

Gründe genug, hier nach Alternativen zu forschen. Das passiert auch schon sehr lange, vermutlich, seitdem Cortison auf dem Markt ist. Eine Möglichkeit, um hier neue Therapiewege zu finden, ist, Cortison selbst genau zu untersuchen. Denn so viel weiß man über seine Wirkweise trotz 70 Jahren im Einsatz nicht.

Entzündungsgene finden und ausschalten

Was man weiß: Glucocorticoide binden an einen Glucocorticoid-Rezeptor. Das Steroidhormon Cortisol bilden wir sogar selbst. Es hilft uns beim Aufwachen und wird in Stress-Situationen ausgeschüttet. Und es hilft, den Zucker- und Fetthaushalt zu regeln. Quasi ein „Ausnahmehormon“ für spezielle Situationen. Zu den Funktionen von Cortisol gehört auch die Kontrolle der Immunreaktion. Über den Rezeptor lässt sich diese ausschalten und genau das nutzt man oft in der Medizin mit synthetischen Wirkstoffen wie Prednisolon oder Hydrocortison.

Das Team um Henriette Uhlenhaut, Professorin an der Technischen Universität München (TUM) untersuchte die Wirkweise der Glucocorticoide genauer. Und kam zu dem Schluss, dass sich hierbei nicht wie bisher angenommen, lediglich Proteine untereinander beeinflussen und somit Basis für den Effekt der Steroide sind, sondern dass die DNA sehr wohl eine Rolle spielt. Genau dieser Fund, sollte er sich bewahrheiten, hat große Bedeutung bei der Suche nach Alternativen zu Kortison: Jetzt geht es darum, die „Entzündungsgene“ herauszufinden, um gezielter Entzündungen unterdrücken zu können, ohne die bekannten Nebenwirkungen des Cortisons. Gerade Patienten mit Multipler Sklerose und viele weitere Chroniker könnten von einer nebenwirkungsfreieren Alternative zu Cortison profitieren.

Quelle: Pressemitteilung der Technischen Universität München, 02.09.2020.

Redaktion: AMSEL e.V., 03.09.2020

Durchbruch in der Remyelinisierung?

Wenigstens am Mausmodell konnten europäische Forscher zeigen, dass der Asthmawirkstoff Theophyllin das Myelin um die Nervenfasern herum wiederherstellen kann. Der Abbau der Myelinscheiden ist schuld an den zunehmenden Behinderungen im Rahmen einer Multiplen Sklerose.

Gerade, wenn es sich bei Forschungsergebnissen um solche aus Mausmodellen handelt, sollte man vorsichtig sein, um nicht frühzeitig Hoffnungen zu schüren. Was die Forscherteams der Universität Fribourg in der Schweiz und der Johannes Gutenberg Universität Mainz herausgefunden haben, könnte die Remyelinisierung ein gutes Stück voranbringen und etwas Hoffnung schöpfen lassen – auch wenn es bis zu einer Zulassung noch dauern wird.

Es ist schon lange bekannt, dass sich das Myelin um unsere Nervenfasern herum vor allem im Zentralen Nervensystem mit dem Alter immer schlechter von allein wieder erneuert. Die fettigen Myelinschichten, man spricht auch von Myelinscheiden, um die Nervenfasern herum schützen diese und sorgen dafür, dass Signale mit Hochgeschwindigkeit durch unser Zentrales Nervensystem flitzen können.

Dank Myelin „flitzen“ die Signale

Umgekehrt ist es leicht vorstellbar, was passiert, wenn diese Isoliertschichten fehlen: Die Signale kommen nur noch schneckenschnell voran, und, noch schlimmer, die Nervenfasern, die nun frei liegen, können untergehen: der gefürchtete Axonverlust. Kein Signal kommt merh hindurch. Das ist der Fall bei der Multiplen Sklerose, wo dieser Prozess zunächst meist schubförmig stattfindet, mit zunehmendem Alter jedoch in einen schleichenden Prozess übergeht. Es kann zu allen denkbaren neurologischen Ausfällen kommen, ob das nun

  • die Sicht betrifft,
  • unsere Konzentration,
  • unser Gedächtnis,
  • unser Tempo,
  • die Fähigkeit unserer Haut, zu fühlen,
  • unsere Mobilität oder
  • unsere Fähigkeit, das Wasser zu halten.

Schon lange sucht die Forschung weltweit daher nach Möglichkeiten, die Myelinschicht zu retten oder, wenn sie denn schon verloren ist, sie zu reparieren. Bislang mit verhaltenem Erfolg.

Asthma-Mittel Theophyllin bei Multipler Sklerose

Das Wissenschaftlerteam um die Neurobiologin Professor Claire Jacob hat nun einen wichtigen Mechanismus entdeckt, um die Remyelinisierung sowohl im Zentralen (ZNSGehirn und Rückenmark) wie auch im Peripheren Nervensystem (im übrigen Körper) zu steuern. Im Mausmodell konnten die Myelinscheiden der Tiere durch die Gabe des Wirkstoffs Theopyllin wiederhergestellt werden.

Das Interessante an Theophyllin ist, dass der Wirkstoff schon lange zugelassen ist und vor allem in der Asthmabehandlung eingesetzt wird. Man muss dazusagen, dass Theophyllin nicht unumstritten ist, gerade auch in seiner Wirkung auf das Herz, jedoch sind diese Nebenwirkungen dosisabhängig und die Schweizer-Deutschen Forscher haben herausgefunden, dass es nur eine geringe Dosis braucht, um die Remyelinisierung anzustoßen. Für eine mögliche Zulassung bei Multipler Sklerose hätte die Tatsache, dass Theophyllin bereits zugelassen ist, den Vorteil, dass sich das Zulassungsverfahren verkürzen ließe.

Progrediente MS behandeln?

Um jedoch zu diesem Ergebnis zu gelangen bzw. auf Theophyllin als möglichen Myelin-Erneuerer zu finden, untersuchten die Wissenschaftler zunächst an Mäusen, wie es überhaupt zum Myelinverlust kommt, dann, wie man den Prozess unterbinden kann.

Neurowissenschaftler fanden heraus, dass ein Protein namens eEF1A1 einen Schlüsselfaktor dabei darstellt. eEF1A1 unterbindet die Remyelinisierung, wenn es durch Acetylierung (in der Chemie: der Austausch von einem Wasserstoffatom durch eine Acetylgruppe) aktiviert wird. Deaktiviert man jedoch eEF1A1 durch Deacetylierung, so können die Myelinscheiden erneuert werden. Hierzu benötigt man wiederum ein Enzym namens Histondeacetylase 2 (HDAC2).

Um nun die HDAC2-Aktivität und ihre Synthese in Zellen zu steigern, setzten die Forscher Theophyllin ein. Theophyllin ist ein Stoff, der auch in sehr kleinen Dosierungen aus Teeblättern gewonnen werden kann. Die Remyelinisierung gelingt sowohl im zentralen wie im peripheren Nervensystem, weswegen der Einsatz nicht nur bei Multipler Sklerose weiter erforscht wird, sondern ebenso bei Verletzungen des peripheren (äußeren) Nervensystems, etwa nach Verletzungen oder Operationen.

Eine Finanzierung passender klinischer Studien an Patienten ist bereits beantragt. Für Menschen mit Multipler Sklerose wie für Menschen nach Unfällen wäre es sehr zu wünschen, dass Theophyllin hier eine ebenso gute Wirkung zeigt wie im Tiermodell und – so alle Voraussetzungen erfüllt werden – baldmöglichst zugelassen werden kann.

Gerade in der Behandlung der progredienten MS-Verläufe (PPMS und SPMS) wäre es wichtig, mehr Wirkstoffe zur Verfügung zu haben, da die progredienten Verläufe mit den (meist) Entzündungen eindämmenden Wirkstoffen für die schubförmige MS nur begrenzt therapierbar sind.

Gästbuch geschlossen!

Die Sinnaftigkeit des Gästebuches hat sich in den letzten Jahren ad absurdum geführt.
Der meiste Verkehr entstand durch Spam-Mails englisch sprachiger Quellen.
Auch wenn mein Spam System funktioniert – es kostet sinnlos Zeit.
Kurzum: Das Gästebuch wird niemandem fehlen und ist somit geschlossen.

LG Wolfgang

100.000 Klicks auf MSinLinz

Ich bin sprachlos!  Aber das wäre jetzt bei einem neuen Beitrag natürlich blöd. 😉

Noch im November 2019 sagte ich zu meiner Frau: Jetzt wird´s nimmer lange dauern und ich hab die 100.000 geknackt. Mit Ende Dezember hatte ich nicht gerechnet aber ziemlich genau 10 Jahre danach, Ende Jänner 2010, ist es jetzt endlich soweit! Mit Stand 13. Februar 2020 habe ich über 100.050 Klicks auf MSinLinz.at erreicht und dafür möchte ich mich von ganzem Herzen bei allen BesucherInnen bedanken. Ihr seid DER HAMMER! 

Als ich damals, mit Hilfe von drei befreundetenMS-Kolleginnen (wofür ich heute noch dankbar bin), dieses Baby geboren habe, war es noch als Geschenk an die Selbsthilfegruppe für Neu-Erkrankte in Linz gedacht. Zur Unterstützung aber vor allem auch weil ich es nicht einsah, dass es für uns keine Webseite gab auf der man die wichtigsten Infos gemeinsam finden konnte (die MS Gesellschaft hatte damals nichts Brauchbares im Netz – was sich seit ein paar Jahren endlich gebessert hat).

2013 und 2016 gab es jeweils Designmässige Änderungen, unter anderem wurde der Bereich der Barrierefreiheit eingeführt (ich nutzte im Urlaub erstmals einen Rollstuhl) und auch das Menü wurde angepasst.

2017 hatten wir gemeinsam den ersten Meilenstein erreicht: 50.000 Klicks!!!
Natürlich freute ich mich schon ungemein und fragte mich wie lange es bis zu den 100.000 dauern könnte? Damals, im Februar 2017, entschied ich mich dann ein neues Format einzuführen, den NEWS-BLOG, in dem du dich gerade befindest. Und ich denke, genau der gab der Seite nochmals einen Kick und ermöglichte den schnelleren Weg auf die 100.000! ICH FREUE MICH. dass mein Plan so aufging, besonders aber, dass mein Hobby – MSinLinz.at – nach wie vor ungesponsert ist und aus meiner eigenen Tasche bezahlt wird – vielen helfen konnte, die ersten, ach so wichtigen Informationen zu finden. Das WISSEN, dass es genauso klappt, wie ich es mir wünschte, ist mir Freude und Belohnung genug.

Ob sich jetzt wieder was ändert? Ich kann es noch nicht sagen. Der NEWS-Blog wird weiter aktualisiert – das ist klar.  Mal sehen wo ich noch was ergänzen oder verbessern könnte, ich werd mir Gedanken machen, versprochen. Aber eins sag ich gerne nochmal:

DANKE!

Euer Wolfgang

 

EU Kommission lässt Siponimod bei MS zu

Wie die EU-Kommission online bekannt gibt, stimmt sie der Zulassung von Siponimod zu. Speziell für Menschen mit sekundär progredienter Verlaufsform eröffnen sich damit Therapiemöglichkeiten.

Der EMA-Ausschuss hatte der Zulassung bereits zugestimmt (amsel.de hatte im November 2019 berichtet); die Zustimmung der EU-Kommission ist nun auch erfolgt. Damit ist Siponimod auf dem Europäischen Arzneimittelmarkt bei sekundär progredienter MS zugelassen. Laut Pressemitteilung von Novartis ist Siponimod (Handelsname Mayzent) derzeit der einzige orale Wirkstoff für sekundär progrediente Verläufe der Multiplen Sklerose.

Für Patienten mit sekundär progredienter Multipler Sklerose stehen bislang nur wenige Therapieoptionen zur Verfügung. Die meisten Menschen mit schubförmigen Verlauf gehen irgendwann über zum sekundär progredienten Verlauf. Ein progredienter Verlauf zeichnet sich dadurch aus, dass Symptome wie zum Beispiel die Gehfähigkeit permanent schlechter werden und bzw. oder sich neu aufgetretene Symptome nicht zurückbilden. Allerdings ist Siponimod auch nur für die aktiven Verläufe unter den sekundär progredienten zugelassen.

Alles weitere lest ihr HIER!

Quelle: AMSEL

Einschränkungen für Alemtuzumab empfohlen

Im Rahmen der Nachbeobachtung von Risiken bereits zugelassener Medikamente hat die EMA nun auch für den Einsatz von Alemtuzumab Einschränkungen bei Multipler Sklerose empfohlen.

Immer häufiger gibt es nach der Zulassung vor allem potenziell stärker wirksamer Medikamente zur Behandlung der Multiplen Sklerose im Nachhinein Einschränkungen. Das liegt daran, dass manche Nebenwirkungen erst nach Abschluss der Studien bekannt werden. So nun auch bei Alemtuzumab (Handelsname Lemtrada).

Die EMA (European Medicines Agency) beurteilt Wirkstoffe nicht nur vor einer potentiellen Zulassung, sondern auch danach. Die Rede ist von Pharmakovigilanz. Im Rahmen dieser Nachbeobachtung fielen dem Ausschuss für Risikobewertung bei Alemtuzumab seltene aber durchaus schwerwiegende Nebenwirkungen auf.

Herz-/Kreislauf und immunvermittelte Erkrankungen

Diese betreffen Herz-/Kreislauf und weitere Autoimmunerkrankungen. Die Herz-/Kreislauferkrankungen stehen im zeitlich nahen Zusammenhang mit der Infusion. Immunvermittelte Erkrankungen treten eher später auf.

Die EMA empfiehlt deshalb,

  • dass nur noch Erwachsene mit trotz einer anderen krankheitsmodifizierenden Therapie weiter hochaktiven schubförmigen MS
  • und Patienten mit rasch fortschreitender schubförmig-remittierend verlaufender MS (mindestens zwei oder mehr Schübe mit Behinderungsprogression innerhalb eines Jahres und mit einem oder mehr Gadolinium-anreichernden Läsionen oder mit einer signifikanten Erhöhung der T2-Läsionen im Vergleich zu einem kürzlich durchgeführten MRT)

Alemtuzumab anwenden sollten.

  • Bei bestimmten Herz-, Kreislauf-oder Blutungsstörungen und bei Patienten mit weiteren Autoimmunerkrankungen (also zusätzlich zur MS) sollte Alemtuzumab gar nicht mehr eingesetzt werden.
  • Um möglichen Nebenwirkungen angemessen begegnen zu können, sollten die Alemtuzumab-Infusionen nur noch in Krankenhäusern mit Spezialisten sowie der Möglichkeit intensivmedizinischer Betreuung durchgeführt werden (Alemtuzumab wird im ersten Jahr an 5 aufeinander folgenden Tagen intravenös verabreicht. Die Prozedur wird im Jahr darauf an drei Folgetagen wiederholt).
  • Zudem soll der Leitfaden für Ärzte und Patienten aktualisiert werden.

Quelle: Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Institutes, 01.11.2019.

Redaktion: AMSEL e.V., 05.11.2019